Oftmals suchen Eltern meine Beratung auf, die sich getrennt haben und sich über ein Thema nicht einig werden. Der Konflikt ist häufig sehr anstrengend für beide Parteien und es fällt manchmal schwer, wieder aufeinander zuzugehen. Warum dies so ist, möchte ich mir genauer ansehen. Ein Leitfaden, der erklärt, was man alles nicht tun soll, ist ja aber furchtbar langweilig. Daher folgt nun ein stark überspitztes „How to“ zum Thema Streit.
Die folgenden 9 Stufen basieren auf den Konfliktstufen von Friedrich Glasl. Das Bewusstsein darüber, auf welcher Konfliktstufe man sich befindet, kann helfen, um den Prozess zu verstehen, zu unterbrechen und geeignete Hilfe zu finden. In den ersten drei Stufen (Sachebene) kann man häufig selbst noch eine Lösung finden oder einen gemeinsamen Vertrauten um Moderation bitten.
In den Stufen 4-6 (Beziehungsebene) braucht es meist professionelle Hilfe, z.B. eine Beratung/Mediation oder Prozessbegleitung. Ab Stufe 7 braucht es in der Regel langfristige therapeutische Begleitung der Parteien und/oder eine gerichtliche Klärung.
Stufe 1: Verhärtung
Diese Stufe passiert von alleine. Sie müssen noch gar nichts tun. Die Stufe zeichnet sich dadurch aus, dass Sie und eine andere Person unterschiedlicher Meinung sind. Ziemlich harmlos, ein ruhiges Gespräch kann dieses meist lösen.
Stufe 2: Debatte
Damit Sie in die nächste Stufe absteigen* können, sollten Sie die andere Person unter Druck setzen und versuchen, mit Argumenten zu überzeugen, gleichzeitig aber auf dem eigenen Standpunkt beharren, Kompromisse verweigern und schimpfen.
Stufe 3: Taten statt Worte
Erhöhen Sie den Druck. Brechen Sie Gespräche frustriert ab und stellen Sie den anderen dann vor vollendete Tatsachen. Auf keinen Fall verständnisvoll auf den anderen eingehen, sondern unbedingt möglichst misstrauisch sein.
Stufe 4: Koalition
Suchen Sie sich Verbündete und bilden Sie Parteien. Vergessen Sie am besten, worum es ursprünglich ging – ab jetzt geht es ums Gewinnen! Streuen Sie böse Gerüchte über den anderen. Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Freunde entscheiden müssen – für Neutralität bleibt kein Raum.
Stufe 5: Gesichtsverlust
Jetzt wird es persönlich und direkt. Es geht unter die Gürtellinie. Bei jeder Gelegenheit sollten Sie Ihren Gegner bloßstellen, bis jegliches Vertrauen dahin ist. Beziehen Sie dabei auch andere Lebensbereiche ein. Weiß der Arbeitgeber oder Vermieterin eigentlich schon, was für ein Scheusal der andere ist? Und die Lehrerin der Kinder?
Stufe 6: Drohungen
Versuchen Sie die Oberhand zu gewinnen, indem Sie Forderungen mit angedrohten Sanktionen garnieren. „Wenn du das nicht machst, dann zeig ich dich an!“ Es geht um Macht. Manchmal gibt die Gegenpartei klein bei: Gewinner*in und Verlierer*in stehen fest! Die Frage ist nur, was der Gewinner eigentlich gewinnt? Aber mit ein bisschen Selbstblendung können Sie sehr zufrieden mit sich sein.
Stufe 7: (begrenzte) Vernichtung
Sie wollen weitermachen? Dann werfen Sie jegliche Moral über Bord! Nehmen Sie auch eigenen Schaden in Kauf, wenn nur dem anderen ein Schaden entsteht!
Stufe 8: Zersplitterung
Wut beherrscht den Geist. Es geht nun nur noch darum, die gegnerische Partei zum Zusammenbruch zu bringen – ob physisch, materiell, seelisch oder sozial.
Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
Wenn Sie die Möglichkeit sehen, den anderen mit in den Abgrund zu reißen, tun Sie es! Auch von Schäden an unbeteiligten Dritten oder Gegenständen sollten Sie sich nicht aufhalten lassen. Sie haben das Finale erreicht!
*Bei Konflikten wird immer abgestiegen, denn am Ende gibt es keine Sieger*innen.
Haben Sie sich beim Lesen ertappt gefühlt? Denken Sie, dass Sie sich mit jemandem in einer solchen Abwärtsspirale befinden? Erzählen Sie dieser Person doch von Ihrem Verdacht und fragen Sie sie, welchen Weg Sie gemeinsam zukünftig einschlagen wollen. Falls Sie sich das nicht vorstellen können, melden Sie sich gerne telefonisch oder per E-Mail bei mir und lassen Sie sich kostenlos beraten, wie Sie einen Gesprächsanfang miteinander finden können.